Heute möchte ich über die Reinkarnation sprechen, denn ich sehe, daß dieses Thema einige von euch manchmal beschäftigt und beunruhigt. Sie wurden immer dahingehend unterrichtet, daß der Mensch nur einmal lebe. Da sie nun von Reinkarnation sprechen hören, sind sie verwirrt, und in ihrem Kopf herrscht Unklarheit.
Über dieses Thema könnte man sich lang und breit auslassen und zum Beispiel darlegen, wie die Tibeter, die Hindus und die Ägypter darüber dachten, welche Arbeiten und Erfahrungen sie diesbezüglich gemacht haben. Jedoch möchte ich mich darauf beschränken, einige Bibelstellen auszulegen, und euch beweisen, daß Jesus selbst über die Reinkarnation Bescheid wußte und sie als gegeben ansah. Nun werdet ihr einwenden, daß ihr alle Evangelien durchgelesen und nirgendwo das Wort „Reinkarnation“ gefunden habt. Aber darauf gebe ich euch zur Antwort, daß es nicht weiter erstaunlich ist, wenn zu einer Zeit, in der alle an die Reinkarnation glaubten, diese nicht besonders erwähnt wird. Wie konnten die Evangelisten denn ahnen, daß sie in Hinblick auf eine Zeit, in der die Menschen nicht mehr daran glauben würden, besonders davon sprechen müßten? Sie haben so wenig in ihren Schriften berichtet, daß sie nicht extra zu etwas Stellung nahmen, was schon zur Tradition gehörte. Das überzeugt euch nicht?… Nun, gut, ihr werdet nachher schon überzeugt sein.
Befassen wir uns in den Evangelien einmal mit bestimmten Fragen, die von Jesus oder von den Jüngern gestellt wurden, und mit den darauf gegebenen Antworten. Eines Tages fragte Jesus seine Jünger: „Was sagt man von mir, wer ich sei?“ Was bedeutet denn diese Frage? Habt ihr schon mal jemanden fragen hören: „Was sagt man von mir, wer ich sei?“ Sie wissen, wer sie sind, und fragen sich nicht, was die anderen darüber sagen. Um eine solche Frage zu stellen, muß man an die Reinkarnation glauben. Und seht nur, was die Jünger antworten: „Die einen sagen, du seist Johannes der Täufer, die anderen sagen, du seist Elia und wieder andere meinen, du seist Jeremia oder einer der Propheten.“ Wie kann man sagen, jemand sei dieser oder jener, der schon seit langem gestorben ist, wenn man nicht die Vorstellung der Reinkarnation mit einbezieht?
Ein andermal begegnen Jesus und die Jünger einem Menschen, der von Geburt an blind ist, und die Jünger fragen: „Rabbi, wer hat gesündigt, dieser Mann oder seine Eltern, daß er blind geboren wurde?“ Hier ist es genauso. Würde man solche absurden Fragen stellen, wenn man nicht an die Reinkarnation glaubte? Wann hätte denn dieser Mann im Mutterleib sündigen sollen? In welche Kneipe oder in welches Nachtlokal ist er denn wohl gegangen? Oder welche unehrlichen Geschäfte hat er wohl gemacht? Wen mag er umgebracht haben? Entweder ist diese Frage unsinnig, oder aber sie schließt den Glauben an ein früheres Leben mit ein.
Nun mögt ihr einwenden: „Ja, aber die Jünger Jesu waren ungebildete Leute; es heißt, sie seien Fischer gewesen. Da konnten sie schon einmal etwas seltsame Fragen stellen.“ Wenn das der Fall gewesen wäre, hätte Jesus sie gewiß darauf aufmerksam gemacht. Man sieht in den Evangelien, daß er in bestimmten Fällen nicht zögerte, seine Jünger zurechtzuweisen. Hier weist er sie jedoch nicht zurecht sondern antwortet einfach: „Weder er noch seine Eltern haben gesündigt…“ Auch das ist eine wichtige Stelle. Die Jünger hatten gefragt, ob die Eltern gesündigt hätten und ob deshalb ihr Sohn blind zur Welt gekommen sei, da sie nach dem hebräischen Gesetz gelernt hatten, daß jede Anomalie, jedes Gebrechen und jedes Unglück auf eine Übertretung der Gesetze zurückzuführen ist, daß aber oftmals jemand für einen anderen die Schuld sühnen kann. Und wenn man demnach also jemanden im Unglück sah, so konnte man nicht wissen, ob er für seine eigenen Fehler büßte, oder ob er sich für jemand anderen opferte.
Jedenfalls glaubten die Juden das. Da nun alles, was einem Übles widerfahren kann, die Folge einer Gesetzesübertretung ist, stellten die Jünger also diese Frage. Sie wußten ja, daß ein Mensch nicht ohne Grund blind zur Welt kommen kann… oder einfach nur, weil es Gott gerade so gefällt, ihn blind sein zu lassen, wie die Christen sich das vorstellen! Jesus antwortete also: „Weder er noch seine Eltern haben gesündigt, sondern dies ist geschehen, damit die Werke Gottes an ihm offenbar werden.“ Das soll heißen, damit ich ihn heilen kann, wenn ich vorbeikomme, und damit das Volk an mich glaube. Und dann hat er ihnen erklärt: „Ihr habt gelernt, daß die Menschen aus zwei Gründen leiden müssen. Entweder haben sie gesündigt und müssen das sühnen, oder, ohne selbst gefehlt zu haben, nehmen sie das Karma von jemand anders auf sich; sie opfern sich, um sich zu entwickeln. Es gibt aber noch eine dritte Gruppe. Diese haben ihre Entwicklung beendet, sie sind frei und durch nichts gezwungen, wieder auf die Erde zu kommen. Und doch kommen sie oftmals wieder, da sie es auf sich nehmen, irgendeine Krankheit, ein Leiden oder ein Gebrechen zu ertragen oder sogar zum Märtyrer zu werden, um so der Menschheit zu helfen. Nun, dieser Blindgeborene gehört dieser dritten Gruppe an. Weder er noch seine Eltern haben gesündigt. Er ist mit diesem Leiden auf die Welt gekommen, damit er durch mich geheilt werde und alle an mich glauben.“ Dadurch hat dieser Mann viele Menschen gerettet.
Und falls ihr noch nicht überzeugt seid, habe ich noch weitere Argumente. Jesus erfährt eines Tages, daß Johannes ins Gefängnis gekommen ist, und im Text heißt es dann nur: „Als Jesus von der Gefangennahme des Johannes erfuhr, zog er sich nach Galilea zurück.“ Einige Zeit darauf wird Johannes auf Befehl des Herodes enthauptet. Nach seiner Verklärung fragen die Jünger Jesus: „Warum sagen die Schriftgelehrten, daß Elia zuvor kommen muß?“ Und Jesus antwortet: „Es ist wahr, daß Elia kommen muß und alles richten; aber ich sage euch, Elia ist schon gekommen, und sie haben ihn nicht erkannt, sondern mit ihm getan, wie sie es wollten.“ Dann heißt es weiter im Text: „Da verstanden die Jünger, daß er von Johannes dem Täufer sprach.“ Daraus geht klar hervor, daß Johannes die Wiedergeburt von Elia war. Übrigens berichten die Evangelien auch, daß ein Engel Zacharias, dem Vater von Johannes, erschien, um ihm zu verkünden, daß seine Frau Elisabeth einen Jungen zur Welt bringen würde, und er sagte: „Er wird vor Gott hergehen in Geist und Kraft des Elia.“
Schauen wir uns nun einmal das Leben des Propheten Elia an, um herauszufinden, was er getan hat, daß er enthauptet wurde, als er sich später als Johannes der Täufer wieder inkarnierte. Das ist eine sehr interessante Geschichte. Elia lebte zur Zeit des Königs Ahab. Dieser hatte Isebel geheiratet, die Tochter des Königs von Sidon, und ihretwegen betete er Baal an. Elia ging nun hin zu dem König Ahab und machte ihm Vorwürfe wegen seiner Untreue gegenüber dem Gott Israels und sagte zu ihm: „Es soll diese Jahre weder Tau noch Regen kommen, es sei denn, ich sage es.“ Dann ging er auf Weisung Gottes fort und versteckte sich in den Bergen, um so den Verfolgungen des Königs zu entgehen. Nach drei Jahren hatte die Trockenheit im ganzen Land eine große Dürre hinterlassen. Das Volk litt Hunger, und Gott sandte Elia erneut zu Ahab. Sobald der König ihn erblickte, warf er ihm zornig vor, an dieser Dürre schuld zu sein. „Nein,“ entgegnete der Prophet, „die Schuld liegt bei dir, da du den Herrn verlassen hast, um dem Gott Baal zu dienen. Jetzt werden wir aber sehen, wer der wahre Gott ist. Befehle, daß alle Propheten des Baal sich auf dem Berg Karmel versammeln sollen.“ So wurden alle Propheten zusammengerufen, und Elia sprach: „Bringt nun zwei Stiere herbei. Wir wollen zwei Altare errichten, einen für Baal und einen für den Herrn. Die Propheten sollen Baal anrufen, und ich werde den Herrn anrufen. Der Gott, der durch das Feuer antwortet, ist der wahre Gott.“
Die Propheten machten den Anfang; vom Morgen bis zum Mittag riefen sie ihren Gott an: „Baal… Baal… Baal… gib uns Antwort…“ Aber es kam keine Antwort, und Elia spottete: „Ruft ein wenig lauter, damit er euch hört. Vielleicht ist er beschäftigt, oder er ist unterwegs, oder aber er schläft.“ Die Propheten riefen noch lauter, und da sie auch Magie praktizierten, machten sie sich Einschnitte am Körper, weil sie hofften, durch das ausfließende Blut Larven und Elementargeister anzuziehen, die dann Feuer an den Altar bringen sollten. Aber es geschah nichts. Darauf sprach Elia: „Das ist nun genug; man bringe mir zwölf Steine.“ Mit diesen Steinen baute er einen Altar, um den ein Graben gezogen wurde. Auf die Steine legte er Holz und auf den Holz den zerlegten Stier. Dann ließ er alles mit Wasser übergießen und füllte auch den Graben damit. Nun war alles bereit, und Elia rief den Herrn an: „Herr, Gott Abrahams, Isaaks und Israels, laß heute kundwerden, daß Du Gott in Israel bist, daß ich Dein Diener bin und daß ich alles nach Deinem Wort getan habe!“ Und das Feuer fiel mit solcher Gewalt vom Himmel, daß es alles verzehrte. Es blieb weder etwas Opfertier übrig, noch vom Holz, von den Steinen oder vom Wasser. Das entsetzte Volk erkannte, daß der wahre Gott der Gott von Elia war. Darauf ließ Elia, den der Sieg wohl etwas zu stolz gemacht hatte, die vierhundertfünfzig Propheten des Baal zu einem Bach hinführen, wo er ihnen den Kopf abschlug.
Darum war damit zu rechnen, daß auch er einmal enthauptet würde. Denn es gibt ein Gesetz, das Jesus im Garten Gethsemane ausgesprochen hat, als Petrus sich auf den Diener des Kaiphas stürzte und ihm ein Ohr abschlug: „Petrus, stecke dein Schwert in die Scheide, denn wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.“ Allerdings kann man in einem einzigen Leben nicht immer die Wahrheit dieser Worte erkennen. Denn gerade Elia, wie ist er gestorben? Nicht nur, daß er nicht umgebracht wurde, ihm wurde auch noch ein feuriger Wagen geschickt, mit dem er in den Himmel fuhr. Jedoch erhielt er die Strafe für seine Verfehlung, als er in der Person von Johannes dem Täufer wieder auf die Erde kam. Jesus wußte, wer er war und welches Schicksal ihn erwartete. Darum tat er nichts, um ihn zu retten, obwohl er über ihn Großartiges gesagt hatte: „Unter allen, die vom Weibe geboren sind, gibt es keinen, der größer ist als Johannes der Täufer.“ Er hat nichts unternommen, weil die Gerechtigkeit ihren Lauf nehmen mußte. Nun wird es klar, warum er das Land verließ, als er von seiner Gefangennahme erfuhr. Er durfte ihn nicht retten. Gesetz ist Gesetz.
Aber schauen wir weiter. Ich werde euch nun zeigen, daß nichts, weder in der Religion noch im sonstigen Leben, ohne die Reinkarnation einen Sinn bekommt. Geht einmal hin zu Priestern und Pastoren und verlangt folgendes: „Erklären Sie mir, warum der eine Mensch reich, schön, intelligent und stark ist, warum ihm alles gelingt, was er unternimmt, und warum ein anderer krank, häßlich, arm, heruntergekommen und dumm ist.“ Sie werden euch antworten, das sei so der Wille Gottes. Bisweilen werden sie euch auch von Vorsehung und von Gnade etwas erzählen; aber das wird euch keine bessere Erklärung geben. Auf jeden Fall ist es der Wille Gottes. Analysieren wir also diese Antwort. Da Gott uns ein wenig Hirnsubstanz mitgegeben hat, lassen wir die nicht einrosten!
Demnach hat Gott also Launen; Er macht, was Ihm gerade einfällt; Er gibt den einen alles und den anderen nichts? Gut, ich verstehe, Er ist Gott, es ist so Sein Wille. Das ist großartig, ich beuge mich. Aber dann finde ich es doch unverständlich, wenn Er nachher unzufrieden, zornig und gekränkt ist, wenn diejenigen, denen Er nichts Gutes gegeben hat, Verfehlungen begehen, böse, ungläubig und kriminell sind. Da es Gott ist, der den Menschen diese Mentalität, diesen Mangel an Intelligenz oder an Herzlichkeit mitgegeben hat, warum bestraft Er sie dann? Er, der Allmächtige, konnte Er sie nicht zu gutherzigen, ehrlichen, klugen, weisen, frommen, ja, einfach zu großartigen Menschen machen? Nun ist es nicht nur Seine Schuld, wenn sie Verbrechen begehen, nein, Er bestraft sie auch noch dafür! Also, da stimmt irgendwas nicht mehr. Er besitzt alle Macht, er tut, was Er will, meinetwegen, deswegen kann man Ihm keinen Vorwurf machen. Aber warum handelt Er dann nicht konsequenter, logischer und gerechter? Dann sollte Er doch die Menschen zumindest in Ruhe lassen. Aber nein, Er wirft sie für alle Ewigkeit in die Hölle! Und auch da, meine ich, paßt etwas nicht zusammen. Ich würde sagen: “Wie lange haben sie gesündigt? Dreißig Jahre, vierzig Jahre? Gut, dann sollen sie auch vierzig Jahre in der Hölle bleiben, und nicht länger. Aber für alle Ewigkeit?!…” Also wirklich, da mache ich nicht mehr mit, damit bin ich nicht einverstanden. Überlegt doch einmal. Aber die Leute wagen es nicht zu überlegen, so sehr sind sie umwölkt von dem, was ihnen beigebracht wurde. Es scheint ja bald so, als sei es ein Verbrechen zu überlegen; und wofür ist dann die Intelligenz gut? Wenn Gott sie uns schon gegeben hat, was sollen wir dann damit anfangen?
Wenn man hingegen die Reinkarnation akzeptiert, wenn man sich mit dieser Anschauung näher befaßt und sie versteht, dann ändert sich alles. Gott ist wirklich der größte, edelste und gerechteste Herr des Universums, und wir begreifen, daß es unser Fehler ist, falls wir arm, dumm und unglücklich sind, weil wir es nicht verstanden haben, alles, was Er uns ursprünglich mitgegeben hat, gut zu nutzen. Wir wollten kostspielige Erfahrungen machen. Und da Er, der Herr, großmütig und tolerant ist, hat Er uns gewähren lassen und sich gesagt: “Nun gut, sie werden leiden und sich den Kopf einrennen, aber das macht nichts. Ich werde ihnen weiterhin meine Schätze und meine Liebe schenken… und sie haben ja noch viele Inkarnationen vor sich.” Also hat Er uns die Freiheit gelassen; und wenn uns Übles widerfährt, so ist es unsere eigene Schuld.* Warum hat die Kirche alle Verantwortung für unser Schicksal auf den Herrn abgewälzt? Nun werdet ihr sagen: “Aber das hat sie doch gar nicht gemacht. Sie hat doch nur den Glauben an die Reinkarnation abgeschafft.” Wenn man darüber nachdenkt, läuft das aber doch eigentlich auf das gleiche hinaus.
Bis ins vierte Jahrhundert hinein glaubten die Christen an die Reinkarnation, so wie die Juden, die Ägypter, die Hindus, die Tibeter usw. Aber wahrscheinlich haben sich die Kirchenväter gesagt, daß dieser Glaube die Dinge nur in die Länge ziehen würde, denn damit hätten die Leute es wohl nicht eilig, sich zu bessern. Und indem sie nun den Glauben an die Reinkarnation abschafften, wollten sie die Menschen antreiben, die Vollkommenheit in einem einzigen Leben anzustreben. Im übrigen hat sich die Kirche dann nach und nach derart schreckliche Dinge einfallen lassen, um die Menschen einzuschüchtern, daß man im Mittelalter nur noch an den Teufel, die Hölle und die ewige Verdammnis glaubte. Die Kirche hat also den Glauben an die Reinkarnation abgeschafft, weil sie meinte, sie könnte die Menschen auf diese Weise dazu bewegen, sich schneller zu bessern. Aber diese haben sich nicht nur keineswegs gebessert, sie sind sogar schlimmer geworden… und dazu auch noch unwissender! Darum muß man diesen Glauben nun wieder annehmen, denn sonst stimmt einfach nichts. Das Leben hat sonst keinen Sinn, der Herr ist ein Ungeheuer usw…
Die Frage der Reinkarnation ist bereits sehr ernsthaft untersucht worden. Darum brauche ich mich hier nicht eingehender damit zu befassen. Es gibt genügend Bücher zu diesem Thema; man denke nur an die Art und Weise, wie die Tibeter den Dalai Lama herausfinden. Ich will euch nur noch von einem besonderen Fall erzählen, den ich in Bulgarien erlebt habe. In der Bruderschaft in Sofia war ein Elternpaar eines Tages sehr bestürzt, weil ihr Kind so unverständliche Dinge redete. Sie erzählten, daß sie es einmal auf einem Spaziergang zu einem Ort mitgenommen hatten, den es zuvor noch nie gesehen hatte. Und dort rief es aus: „Oh, ich kenne diesen Ort; ich bin schon einmal hier hergekommen.“ Es konnte sogar die Umgebung beschreiben, und alles stimmte überein. Dabei war es doch ein Ort, wo es noch nie hingekommen war. (Die Eltern wußten allerdings, daß ihr erstes Kind hier hingegangen war). „Erinnert ihr euch nicht? Auf dem Schulweg habe ich mich hier versteckt… und dort drüben im Fluß bin ich ertrunken.“ Das war tatsächlich der Ort, an dem ihr ersten Kind ertrunken war, aber dieses wußte nichts davon; niemand hatte ihm jemals etwas darüber gesagt. Dies war also ihr erstes Kind, das sich wieder in der gleichen Familie inkarniert hatte. So etwas ist sehr selten, aber es kann vorkommen. Bis zu ihrem siebten Lebensjahr kann man Kinder über solche Dinge befragen; sie erinnern sich an vieles. Anstatt ihnen jedoch zuzuhören, gibt es Mütter, die ihnen einen Klaps geben und sagen: „Du erzählst Unfug, sei still.“ Das machen sie einmal, zweimal, dreimal… und auf die Dauer wagen es die Kinder nicht mehr, noch etwas zu erzählen.
Ich habe euch nun gezeigt, daß bestimmte Passagen der Evangelien, obwohl das Wort „Reinkarnation“ darin nicht geschrieben steht, doch deutlich machen, daß der Glaube daran zur Überlieferung gehörte. Dazu kann ich euch ein weiteres Beispiel geben. In einem Abschnitt sagt Jesus: „Ihr sollt vollkommen sein, gleichwie der Vater im Himmel vollkommen ist.“ Was soll man von diesem Satz halten? Entweder sagt Jesus das ganz unüberlegt, wenn er von so unvollkommenen Menschen verlangt, sie sollen in einigen Jahren die Vollkommenheit des himmlischen Vaters erlangen, oder aber er ist sich über Seine Größe überhaupt nicht im klaren und bildet sich ein, daß es ganz einfach sei, so zu werden wie Er. In beiden Fällen spricht das nicht für Jesus. In Wirklichkeit schließt jedoch dieser Satz die Reinkarnation mit ein. Jesus meinte nicht, der Mensch könne in einem einzigen Leben vollkommen werden. Aber er wußte, daß man durch den beständigen Wunsch und ständiges Bemühen nach vielen Inkarnationen schließlich das Ziel erreichen würde.
Und was hat Moses zu Beginn der Schöpfungsgeschichte geschrieben, dort wo von der Erschaffung des Menschen die Rede ist? „Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel im Himmel und über das Vieh… Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf Er ihn.“ Und was ist aus dieser Übereinstimmung nun geworden? Gewiß hatte Gott die Absicht, den Menschen nach Seinem Bilde und Ihm gleich zu erschaffen, also ebenso vollkommen wie Er selbst es ist; aber Er hat es nicht getan. Er hat ihn lediglich nach Seinem Bild erschaffen, mit den gleichen Anlagen, ohne ihm jedoch die Fähigkeiten voll entwickelt zu geben, also ohne die völlige Übereinstimmung.
Schaut euch eine Eichel an. Sie ist nach dem Bild ihres Vaters, der Eiche, geschaffen; das heißt, sie birgt die gleichen Anlagen in sich. Jedoch gleicht sie der Eiche nicht; sie ist noch nicht genau wie diese, sondern sie wird erst so, wenn sie in den Boden gesteckt wird. Der Mensch ist nach dem Bilde Gottes geschaffen; das heißt, er besitzt Weisheit, Liebe und Kraft, jedoch in welch geringem Maß im Vergleich zur Weisheit, Liebe und Kraft des Schöpfers. Wenn er sich dann aber entwickelt, wird er mit der Zeit Ihm immer ähnlicher bis er Ihm dann eines Tages gleicht; dann wird er Seine Tugenden voll entwickelt besitzen. Ihr seht also, daß die Entwicklung vom Abbild bis hin zur völligen Übereinstimmung den Gedanken der Reinkarnation mit einschließt. Gott sprach: „Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei“, aber Er hat es nicht völlig getan. „Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf Er ihn.“ Darin, daß im nachfolgenden Satz der Teil „…das uns gleich sei“ weggelassen ist, während das Wort „Bild“ wiederholt wird, hat Moses den Gedanken der Reinkarnation versteckt.
Aber die Leute verstehen es nicht, die Bücher zu lesen… und noch viel weniger das große Buch der lebendigen Natur, in welches ebenso die Reinkarnation eingeschrieben ist. Nehmen wir einmal das Bild eines Baumes. Allein die Kabbalisten haben das Bild des Baumes wirklich verstanden; und sie haben daraus eine Symbol für das Universum gemacht. Alle Geschöpfe finden irgendwo in diesem Baum ihren Platz, sei es als Wurzeln, Rinde, Blätter, Blüten oder Früchte. Nach ihrem sehr tiefen Wissen hat alles, was lebt, auch alle Tätigkeiten und alle Regionen, seinen Platz im Baum des Lebens. In den verschiedenen Jahreszeiten fallen die Blätter, die Blüten und die Früchte vom Baum. Diese zersetzen sich, sie werden zu Dünger und werden dann über die Wurzeln wieder aufgenommen. Das gleiche gilt für alle Lebewesen. Wenn ein Mensch stirbt, wird er über die Wurzeln des kosmischen Baumes wieder in diesen aufgenommen. Bald erscheint er jedoch wieder in neuer Gestalt, als Zweig, Blüte oder Blatt… Nichts geht verloren; unaufhörlich verschwinden die Wesen und erscheinen von neuem auf diesem großartigen Baum, dem Baum des Lebens.
Ihr seht, das Prinzip der Reinkarnation trifft man überall an. Wo denn noch? Im Wasserkreislauf der Natur. Das Wasser der Meere verdampft und steigt in die Luft. Dann fällt es woanders als Schnee oder Regen wieder herab und kehrt schließlich zum Meer zurück. Der Wassertropfen verschwindet nicht einfach; er unternimmt eine große Reise, um die Welt zu erforschen. Zuerst steigt er gen Himmel, fällt wieder herab auf die Berge, fließt in die Täler, sickert bis in tiefliegende Erdschichten hinab und nimmt dabei die verschiedensten Färbungen an, gelb, rot oder grün… Das Wasser steigt also auf und kommt dann wieder herab; auch daran läßt sich das Gesetz der Reinkarnation ablesen. So wie der Wassertropfen unternimmt jedes geistige Wesen eine Reise, um dadurch Erfahrungen zu sammeln und der Vollkommenheit zuzustreben.
Wollt ihr ein weiteres Argument hören? Nun, gut. Wenn ihr abends schlafen geht, legt ihr eure Kleider ab. Ein Kleidungsstück nach dem anderen zieht ihr aus: Jacke, Hemd, Unterhemd… Das Schlafengehen am Abend ist ein Symbol für den Tod. Die Kleidung, die ihr ablegt, stellt die verschiedenen Körper dar, von denen ihr euch nach und nach befreien müßt, zuerst einmal vom physischen Körper, dann, einige Zeit darauf, nach vielleicht ein oder zwei Wochen vom Ätherkörper. Danach kommt der Astralkörper; das dauert sehr viel länger, denn auf der Astralebene befinden sich die Leidenschaften, die Begierden und die niederen Empfindungen. Genau das ist die Hölle, die Astralebene und die niedere Mentalebene, wo man einige Zeit zubringen muß, um sich zu läutern… Danach befreit ihr euch vom Mentalkörper, und dort beginnt das Paradies mit dem ersten, zweiten, dritten Himmel usw. Der Überlieferung zufolge gibt es sieben. Erst wenn man alles völlig abgelegt hat, betritt man ganz nackt den siebten Himmel, „völlig nackt“, das heißt geläutert, ohne Dinge, die einem noch anhaften.
Der Morgen entspricht der Rückkehr des Menschen auf die Erde, der Geburt des Kindes. Man zieht sich wieder an: Unterhemd, Hemd usw. Wenn das Kind auf die Erde kommt umhüllt es sich zuerst mit den feinstofflichen Körpern, dem Atman-, Buddha- und Kausalkörper, dann mit dem Mental-, Astral- und Ätherkörper und schließlich schlüpft es in den physischen Körper. Ihr seht, jeden Abend zieht man sich aus, und jeden Morgen kleidet man sich wieder an. Das geht jahrein, jahraus immer weiter so, und doch wurde nie über diese Handgriffe nachgedacht noch erkannt, daß sie dem Prozeß der Einverleibung und dem Verlassen des Körpers, also Geburt und Tod entsprechen. Verstände man es hingegen, die alltäglichen Handlungen, all die Handgriffe, Tätigkeiten und Verhaltensweisen zu deuten, ebenso wie den Verdauungsvorgang, die Atmung usw., dann würde man enorme Entdeckungen machen. Denn alle Geheimnisse des Universums spiegeln sich in unseren Gesten, Worten und Alltagshandlungen wider. Um sie allerdings richtig auszulegen, muß man an einer Einweihungsschule unterrichtet worden sein.
Bevor so manch einer an die Reinkarnation glaubt, wartet er ab, bis die Kirche diese offiziell anerkennt. Aber wann wird sie das tun? Schon oft hatte ich Gelegenheit, mit Vertretern der Kirche zu sprechen. Und ich habe festgestellt, daß viele von ihnen an die Reinkarnationslehre glauben. Nur wagen sie es aus Angst vor Schwierigkeiten nicht, darüber zu sprechen. Ich sage euch auf jeden Fall, solange ihr die Reinkarnationslehre nicht akzeptiert, werdet ihr niemals Klarheit bekommen über eure Situation und über die Geschehnisse in eurem Leben (warum man euch verfolgt und schlecht behandelt oder warum ihr immer wieder Hilfe und Unterstützung findet), noch darüber, wie ihr euch auf das nächste Leben vorbereiten müßt. Und wenn man die Wahrheit nicht kennt, welchen Weg soll man dann nehmen?…
Vidélinata (Schweiz), den 11. Dezember 1966
*Siehe Band 3 der Reihe Gesamtwerke »Die beiden Bäume im Paradies«, Kapitel 9 »Die beiden Bäume im Paradies«, Teil III: »Die Rückkehr des verlorenen Sohnes«