Erzieht euch selbst, bevor ihr andere erzieht

Die Menschen betrachten gewöhnlich die Schwächen und Unzulänglichkeiten der anderen, niemals aber ihre eigenen. Sie verlangen von anderen Intelligenz, Güte, Ehrlichkeit, aber denken nicht daran, sich einmal zu fragen, wie es denn mit ihnen bestellt ist. Wenn es auf der Welt nur so wenige vollkommene Menschen gibt, so deshalb, weil alle auf dem gleichen Standpunkt stehen: sie erwarten Anstrengungen von den anderen und glauben, sie selbst könnten ja so bleiben, wie sie sind. Nein, so geht es nicht! Eine solche Haltung hat sehr nachteilige Folgen, vor allem für jene, deren Aufgabe es ist – sei es beruflich oder privat – sich um andere zu kümmern. Betrachten wir nur einmal die Eltern: sie kümmern sich um ihre Kinder, das ist gut, somit erfüllen sie ihre Pflicht; aber haben sie gelernt, sich zuerst mit sich selbst zu beschäftigen, bevor sie sich mit Kindern beschäftigen? Nein, sie führen ein ungeregeltes Leben, alles in ihnen ist durcheinander, und jetzt, wo sie verbildet oder gar zerrüttet sind, glauben sie, sie seien fähig, Kinder zu erziehen. Dass die Kinder damit ein erbärmliches Schauspiel vor Augen haben, das sich auf die Psyche und sogar auf die Gesundheit sehr negativ auswirkt, ist ihnen nicht wichtig. Es gibt so viele Menschen, die nur deshalb heiraten, weil sie sich alleine langweilen, und wenn sie dann Kinder bekommen, geraten sie in ausweglose Schwierigkeiten. Beginnt euch selbst zu erziehen, bevor ihr andere erziehen wollt; sonst ist es genauso, als versuchtet ihr mit kohlschwarzen Händen, jemandem einen kleinen Fleck aus dem Gesicht zu wischen. Ihr macht ihn dabei nur noch schmutziger. All jene, die andere aufklären und belehren wollen, ohne selbst auf der Höhe zu sein, können sie nur in die Irre führen.

Lasst also die Menschen in Ruhe und begnügt euch damit, euch selbst zu verbessern. Warum soll man seine Zeit damit vergeuden, über die Unvollkommenheiten der Menschen zu jammern? Kümmert euch nicht darum, sondern befasst euch damit, euch selbst zu vervollkommnen. Dann habt ihr nicht mehr so viele Sorgen, ihr hört auf, euch zu quälen und beschleunigt eure spirituelle Entwicklung, weil ihr euch auf eure eigene Vervollkommnung konzentriert.

Glaubt mir und lasst die anderen tun, was sie wollen; arbeitet an euch selbst. Ihr solltet vorwärts kommen und anderen ein Vorbild sein. Selbst mit den schönsten Reden wird es euch nicht gelingen, die Menschen zur Vernunft zu bringen. Wenn ihr aber ein Vorbild seid, folgen sie euch ungewollt. Anstatt also in der Familie und Umgebung, am Arbeitsplatz immer Harmonie zu erwarten und zu klagen, dass sie dort fehlt, beginnt, sie in euch zu verwirklichen. Wenn die anderen spüren, wie sehr ihr euch verändert habt, fühlen sie sich gezwungen, sich auch zu wandeln, denn magische Kräfte sind da am Werk: ein Mensch, der ernsthaft an sich arbeitet, verbreitet Kräfte, die seine Umgebung dazu zwingen, es ihm gleich zu tun.

Ihr sollt die menschliche Natur kennen lernen, wissen, wie die Menschen sind, und euch nicht zu sehr mit dem in euch befassen, das euch negative Gefühle verursacht. Denn es besteht eine Entsprechung zwischen dem, was einen beschäftigt, und dem Zustand, in dem er sich befindet. Wenn ihr euch zu negativen Gefühlen den anderen gegenüber hinreißen lasst, braucht ihr euch nicht zu wundern, wenn ihr euch anschließend unwohl fühlt: das ist doch nicht verwunderlich. Wollt ihr also niemals erschüttert, verwirrt oder entmutigt sein, dann zählt nur auf die innere Arbeit.

Aus dem Buch »Goldene Regeln für den Alltag« von Omraam Mikhaël Aïvanhov, Kapitel 84.
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